Elektrisierender Farbenrausch: Loïe Fuller
Farbverläufe auf leichtem Seidenchiffon, darüber der Name „Loïe Fuller“. Ein Musterbuch von 1893 entführt uns in das Paris der Belle Époque…
Moderner Ausdruckstanz
Loïe Fuller (1862-1928) war eine Pionierin des abstrakten Tanzes. Die in den USA geborene Tänzerin und Choreographin ging in den 1890er nach Frankreich. Im Paris der Belle Époque, mit seinen vielen Varietés, Theatern und Nachtclubs gelang ihr schnell der Durchbruch: berühmt wurde sie für ihren "Serpentinentanz", einem Schleiertanz, bei dem sie an Stäben befestigte Stoffbahnen wellen- und spiralförmig um ihren Körper wirbelte. Außergewöhnlich war außerdem, dass Fuller gekonnt mit technischen Innovationen ihrer Zeit experimentierte…
Bewegung, Farbe und: Elektrizität
Innovationen in Bühnenbeleuchtung
Sehr früh arbeitete Loïe Fuller mit elektrischem Licht. Für das entscheidende Element ihrer multimedialen Bühnenauftritte sorgten farbige Projektionen, die sie mithilfe elektrischen Lichts auf ihr Kostüm werfen ließ – das war etwas komplett Neues. In Kombination mit den schnell fließenden, nicht endenden Bewegungen der Stoffmenge ihrer Bühnenkostüme entwickelte sich ein faszinierendes Farbspektakel, dessen Effekt auf das zeitgenössische Publikum gar nicht überschätzt werden kann.
Bewegte Bilder
Auch das noch junge Medium Film machte Fuller sich zunutze: nachkolorierte Kurzfilmsequenzen gaben ihre Bühnenperformances auf der Leinwand wieder und dokumentieren den Farbenrausch ihres Serpentinentanzes noch für uns heute.
Inspiration Loïe
ein Star in Paris
Zwischen 1892 und 1899 trat Fuller regelmäßig mit ihren fulminanten Shows in den berühmten Folies Bergère oder im Moulin Rouge auf. Genau aus dieser Zeit, stammen drei Abonnementbücher, die französische Seidenstoffe mit zarten Farbverläufen enthalten. Daneben findet sich in zwei Büchern der Zusatz „Loïe Fuller“! Diese Stoffproben sind vermutlich Teil einer von ihrem Serpentinentanz und Lichteffekten inspirierten Stoffkollektion. In den Musterbüchern zeigt sich, wie schnell populärkulturelle Phänomene in Moden und Textildesign übernommen wurden und wie eng diese Bereiche mit der darstellenden und bildenden Kunst verknüpft waren und sich von dieser inspirieren ließen.
Muse, It-Girl, Unternehmerin
Denn Fuller war ein Star ihrer Zeit. Ihre Arbeit inspirierte andere Künstler wie z. B. den Maler Henri de Toulouse-Lautrec, der sie mehrfach zeichnete. Zu ihren Freunden zählten Prominente aus Kunst und Wissenschaft, darunter Alexandre Dumas, Thomas Edison oder Pierre und Marie Curie. Sie selbst wiederum choreografierte zu Musik von Claude Debussy und Igor Stravinsky Anfang des 20. Jahrhunderts Stücke für ihre Kompanie, mit der sie weltweit auf Tourneen ging. Und Loïe Fuller war Förderin einer später nicht minder berühmten Tänzerin und Choreographin: Isadora Duncan.